Samstag, 4. Oktober 2014

Todesmetall alter Schule, Alter!

Nach zwölf Jahren war es wieder einmal an der Zeit, Bolt Thrower live zu erleben. Als mir im Frühjahr dieses Jahres bekannt wurde, dass die Briten in die Stadt kommen würden, habe ich sofort ein Ticket geordert. Und das war gut so, denn das Konzert mit Morgoth und Vallenfire im Support war recht schnell ausverkauft. Death Metal geht also immer noch.

Donnerstag, den 2. Oktober, war es soweit. Am Morgen, vor der Arbeit, habe ich feststellen müssen, dass ich kein einziges Metalshirt mehr im Kleiderschrank habe. Nach und nach sind sie wohl alle beim Heimwerken draufgegangen, weil ich dachte, dass sie nicht mehr benötige. Paradise-Lost-Putzlappen und Bolt-Thrower-Reinigungstücher. Also habe ich mir das erstbeste weiße T-Shirt genommen. Was ich vergessen hatte: keiner trägt beim Metalkonzert weiß. Wie es der Zufall wollte, hat mich noch auf dem Weg nach Leipzig ein schwarzes Hoodie erreicht. Im Frühjahr hatte ich für das Bornaer Festival „Rock am Kuhteich“ gespendet, nachdem sich dort finanzielle Defizite ergeben hatten und das Hoodie war das Dankeschön dafür. Damit war meine Garderobe dem Anlass angemessen. 


Das Konzert fand im Hellraiser (Leipzig-Engelsdorf) statt. Als wir ankamen, war die Vorband Vallenfyre bereits auf der Straße zu hören. Pünktlicher Beginn, das ist ein gutes Zeichen, denn ich hatte von vergangenen Konzertbesuchen Verzögerungen und quälend lange Umbaupausen in Erinnerung. Nichts davon ärgerte mich dieses Mal, zwischen den Bands war gerade Zeit für ein Bier und einen Schwatz, dann ging es auch schon weiter. Am Eingang bekam ich einen Nightwish-Stempel aufgedrückt. Nigthwish, die Synthesizer-Combo mit der Frauenstimme. Beim Old School Death Metal Konzert...


Gespannt war ich auf das Publikum. Meine Vermutung bestätigte sich. Es ist, so wie ich mit meinen knapp 40 Jahren, mit seinen Helden gealtert. Hier sind alle etwas ruhiger geworden. Der Todesmetaller war ohnehin nicht für Bewegungsfreude bekannt (Männer tanzen nicht), aber inzwischen sparen sich viele Headbanger die Kraft, die für ein Kopfnicken oder das Heben der Teufelskralle (sofern die Gischt diese Fingerübung überhaupt noch zulässt) benötigt wird, für einige Kracher des Headliners auf. Stagediver, die sich noch über die Bühnenkante hieven können, gibt es aber noch immer, nur lässt man sich inzwischen gelenkschonend auf die Massen gleiten. Die Lichttechnik hat sich auf neue Reflexionsquellen im Saal eingestellt - Mann trägt teilweise Platte statt Matte, da bilde ich keine Ausnahme. Das Bier gibt´s aus der 0,5-Liter-Schnabeltasse und nicht mehr ganz so eisig wie früher. Der Sänger der Band Morgoth, inzwischen ergraut bis in die Bartspitzen, rief zwischen den Songs immer wieder „Old School Death Metal“ und „Leipzig“, damit auch ja keiner vergisst, warum er sich wo befindet. ;)


Begeistert war ich von einem Wandgemälde im Hellraiser, welches vom Cover der Bolt-Thrower-Platte „Warmaster“ stammt. Da fühlt man sich gleich zu Hause. Überhaupt ist das Hellraiser eine gute Location: es gibt ausreichend Parkplätz in der Nähe, die Größe ist für schätzungsweise 1000 Leute angenehm und direkt vor dem Eingang stehen Bäume. Außerdem gefällt mir das Rauchverbot. Was habe ich früher nach einem Konzert gestunken.


Einzig die drei Tontechniker haben uns von ihrer Insel aus vollgequalmt. Irgendwie lassen sich einige Tonis mit ihrer stundenlangen Soundcheckerei feiern, obwohl am Ende nichts besser funktioniert, als ob man diesen Zauber weggelassen hätte. Auch bei diesem Konzert hatte ich diesen Eindruck.Davon lässt man sich die Party nicht vermiesen. Das Intro von Bolt Thrower kündigte nach der zweiten Pause den Höhepunkt des Abends an. Vom Opener „Remembrance“ bis zur Zugabe „A silent demise“ kannten wohl die meisten im Saal jeden Song. Karl Willets, der sympathische Sänger, sprang agil wie Kermit der Frosch auf der Bühne herum und brüllte seine Texte in’s Mikrofon. Immer wieder umarmten ihn Stagediver und Willets ließ sich das ohne Allüren gefallen. Mit „Mercenary“, „Cenotaph“, „Powder burns“, „Where next to conquer“, „No guts, no Glory“ und weiteren Songs zogen Bolt Thrower einen Querschnitt durch ihre Diskografie. Viel zu schnell verging die Zeit. Meine Hoffnung, dass Mitternacht anlässlich des Tages der Deutschen Einheit unsere Nationalhymne intoniert würde, erfüllte sich nicht, denn 23.45 Uhr war der Spuk vorbei.

Vor dem Hellraiser fuhren Taxis vor, um Altmetall(er) heim bzw. in’s Heim zu bringen. Auch das gab es früher nicht, dafür hatten wir kein Geld und gebrochen wurde anonym in die Straßenbahn, letzte Reihe. Warten wir ab, wer in weiteren zehn Jahren vorfährt. Und wo. Denn dann wünsche ich mir Sitzplätze. Das Gewandhaus wäre angemessen.

Hier noch ein Video von 666SaXoN666 Metal auf Youtube: