Sonntag, 19. Februar 2012

Ende der Armenspeisung

In Geithain wird am 20. Februar 2012 die Armenspeisung mangels Nahrungsspenden der hiesigen Lebensmittelmärkte eingestellt. 35 Menschen, die den "Tafelpass" besitzen, und deren Familien seien davon betroffen, heißt es in der Leipziger Volkszeitung vom 15. Februar 2012. Was bedeutet das?

In einem ersten Impuls habe ich am eigenen Beispiel recherchiert, was unsere Gesellschaft Anspruchsberechtigten in Form von Arbeitslosengeld (ALG) II oder Sozialhilfe zahlt. In beiden Varianten müsste ich glücklicherweise nicht frieren und ich würde satt. Für die Erfüllung meiner Grundbedürfnisse wäre damit zwar gesorgt. Unglücklicherweise hat Herr Maslow seine Pyramide fünfstufig gebaut. Zu testen, wie ich mit dem Hartz-IV-Satz ein paar Wochen auskommen würde, erspare ich mir deshalb nur allzu gern. Dennoch: zum Leben reicht es offenbar.

Engagiert sich für Bedürftige: die Tafel

Wenn also niemand in Deutschland hungern muss, wozu gibt es dann die Tafelbewegung? Aus vielen Gründen:

  • Der Bedürftige kann das beim Lebensmittelerwerb gesparte Geld anderweitig einsetzen.
  • Der wöchentliche Treff bei der Warenausgabe schafft soziale Kontakte.
  • Die Warenspender sparen Transport- und Entsorgungskosten für unverkäufliche Lebensmittel (Ablauf Mindeshaltbarkeitsdatum).
  • Ehrenamtliche finden ein sinnvolles Betätigungsfeld mit direkter Bestätigung (Dank).

Und nicht zuletzt: man kann auch in Deutschland durch das soziale Rost fallen. War ich bislang der Meinung, dass Menschen, die buchstäblich auf der Straße leben, dies nur deshalb tun, weil sie die Annahme von Hilfe regelrecht verweigern, wurde ich Ende Januar eines Besseren belehrt. Da wurde in der LVZ von einer Frau berichtet, die - durch eine zugegebenermaßen ungewöhnliche Konstellation ihrer Lebensumstände - keine Möglichkeit hatte, sich ein durch Sozialtranfers gestütztes Einkommen zu verschaffen. Gesetzeslücke, fehlende Flexibilität in den Ämtern - wie dem auch sei: sie war tatsächlich auf nichtstaatliche Fürsorge angewiesen. Hundertprotzentige Sicherheit gibt es also doch nicht.

In Geithain endet die Tafelversorgung, die hier übrigens maßgeblich von der Kirche organisiert wurde. Dass, wie berichtet, nur 35 Menschen einen Tafelpass (wer dem Leipziger Tafel Verein den Bezug von ALG II oder Sozialhilfe nachweist, erhält diesen Schein, der zum Bezug von Waren berechtigt) besitzen, kann ich nicht glauben, wenn ich die Fotos von den allmontäglichen Warteschlangen betrachte. Das Ende der Armenspeisung wird wohl weit mehr Menschen betreffen. Hungern muss nach deren Ende meiner Einschätzung nach niemand, aber die Geithainer Bedürftigen werden sich weiter einschränken müssen.

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