Dienstag, 27. November 2012

Grüße, Jessica

Bis heute kannte ich Jessica nicht, obwohl man sagen kann, dass sie eine Prominente ist. Rund anderthalb Millionen Deutsche kennen sie, nämlich die Fans der Facebookseite des Lebensmitteldiscounters Lidl. Jessica ist dort der Kopf des Social-Media-Teams und sie ist auf "ihrer" Seite omnipräsent. Sie postet nicht nur die Marketingaktionen in der Chronik, sondern sie kümmert sich auch um die Beiträge erfreuter oder erboster Kunden, kurz: um das Beschwerdemanagement.


Anklicken, um die Lidl-Fanseite bei Facebook aufzurufen
Interessant und unterhaltsam ist es hier: Kunden posten auf der Lidl-Seite

An Traffic mangelt es unter den "Beiträgen anderer Nutzer" wahrlich nicht. Täglich werden hier Kunden aktiv. Wagen wir nur einen kurzen Blick in das Panoptikum (Beispiele von heute, 27.11.2012):

Neydera Letty Coat lobt die neue Katzenstreu über den grünen Klee ("es riecht nicht mehr nach katze in der wohnung"), Oliver Baumann meint an anderer Stelle "Ich finde es teuer und es Stinkt!"

Da ärgert sich Michaela Mayer über LIDLs Rückruf gemahlener Haselnüsse, weil sie diese bereits verbacken hat und ihre Lidl-Filiale nicht die Kosten für das nun umsonst verbrauchte Mehl erstatten will. Und Harry Schulz konnte seinen Tankgutschein nicht an der Autobahn-Tankstelle einlösen.

Vanessa Hetzel drischt nach einem technischen Defekt unbarmherzig auf Jessica ein ("Hauptsache das mit dem Gewinnspiel [superslide] hat nicht funktioniert, tolle verarsche hier!!"). Und den "Trossinger Lidl sollte man bei Regen meiden! Entweder ist die Regenrinne kaputt, oder nicht vorhanden." (Tom Wack)

Selbst Mitarbeiter wie Linas Ma Ma tracktieren Jessica mit Fragen, beispielsweise zum Weihnachtsgeld ("ob ich das bekomme auch wenn ich in Elternzeit bin").

Das ist user generated content. Danke für das Amüsement.

All dies beantwortet Jessica geduldig. Sie sorgt dafür, dass LIDLs Kunden eine qualifizierte Antwort, Hilfe oder Entschuldigung bekommen, teilweise sogar samstags und sonntags. In jedem ihrer Posts schließt sie mit einem freundlichen "Grüße, Jessica".

Ihre Allgegenwart hat mich zunächst glauben lassen, Jessica sei eine Kunstfigur, Berichten zufolge ist dem nicht so. Sie ist einfach eine enthusiastische Mitarbeiterin, die sich mit Herzblut um die Kunden kümmert - ein Vorbild.

Mittwoch, 21. November 2012

Das perfekte E-Paper

Mit dem Aus der Frankfurter Rundschau, dem bevorstehenden Ende der Financial Times Deutschland sowie weiteren Hiobsbotschaften für die Zeitungsbranche bekommt die Diskussion über das Zeitungssterben in Deutschland neuen Wind.

Über die Ursachen haben unter anderem Richard Guthjahr und Sascha Lobo umfangreiche Analysen abgeliefert, denen ich nichts hinzuzufügen habe. Stattdessen will ich an dieser Stelle als Branchenfremder über mein privates Nutzerverhalten und meine Vorstellungen von einer Zeitung im Jahre 2012 schreiben.

Erstens. Warum ich keine gedruckte Zeitung mehr möchte.

Die Gründe dafür sind banal, aber vielfältig. Es geht damit los, dass sich mein Briefkasten im Freien befindet. Vor dem Frühstück möchte ich das Haus nicht verlassen, schon gar nicht im Winter. Während des Essens mag ich die Zeitung nicht anfassen, denn von den Leuten, die sie bis dahin in den Händen hielten, hatte möglicherweise einer eine Erkältung. Außerdem färben die Zeitungen ab. Sowohl meine Tageszeitung, das ist die Leipziger Volkszeitung (LVZ), als auch beispielsweise der SPIEGEL hinterlassen ihre Spuren an den Fingern. Das ist unangenehm.

Jahrelang hatte ich die Printausgabe der WELT abonniert und die Lektüre wirklich genossen. Gestört hat mich jedoch das Format, welches mir aufnötigte, jeden Artikel zurecht zu falten, um ihn lesen zu können, ohne schwere Arme zu bekommen. Eine Anleitung für dieses Zeitungsorigami hatte einst die FAZ geliefert. Außerdem muss ich zum Lesen für gute Lichtverhältnisse sorgen. Das Blättern raschelt zu laut im Sauna-Ruheraum. Artikel wiederauffindbar abzulegen, ist ohne großen Aufwand unmöglich; in alten Zeitungen sinnvoll zu recherchieren, ebenso. Einen URL abzutippen, ist mühselig, da helfen auch QR-Codes nichts.

Die Inhalte der Printausgaben sind mindestens von gestern, die meisten Dinge (Überregionales) weiß ich bereits, wenn ich die Zeitung aufschlage. Da der Platz begrenzt ist, kommen anreichernde Abbildungen zu kurz.

Last but not least bin ich seit 2010 Besitzer eines iPad. Dieses ist seit der Anschaffung meine Informations-, Kommunikations- und Konsumzentrale. Ich will einfach meine Inhalte von diesem schönen, teuren Gerät ablesen.

Das ist alles banal, aber das hatte ich ja angekündigt.

Zweitens: Warum ich überhaupt bereit bin, für Inhalte zu zahlen.

Zum einen ist es die exklusive, lokale Berichterstattung, die mir nur meine Tageszeitung liefert. Diesen Content findet man in diesem Umfang nicht im freien Netz. Zum anderen sind es intelligente, ausführliche, unterhaltsame Berichte und Kolumnen, die eben nur der ausgebildete Journalist oder andere Talente zustande bringen. Nicht zu vergessen: bei einer seriösen Tageszeitung oder einem Nachrichtenmagazin kann ich auf den Wahrheitsgehalt der Story vertrauen. Journalismus ist eine Profession und die muss bezahlt werden, dafür erhalte ich Qualität.

Des Weiteren übernimmt die Redaktion eine Vorauswahl relevanter Themen. Durch ihre in sich abgeschlossene Struktur, lasse ich mich bei Zeitungen und Magazinen leiten. Das empfinde ich als bequem.

E-Paper der LVZ: trotz APP derzeit noch PDF-Abbild der Printausgabe

Darüber hinaus ist mir auch eine ausgezeichnete user experience etwas wert. Liefert ein Online-Abonnement lediglich die PDF-Ansicht der Printausgabe (LVZ), so ist das Lesen am Bildschirm die Hölle. Eine gut gemachte App, welche die Möglichkeiten des Gerätes (sei es ein Tablet, ein Smartphone oder der Computerbildschirm) ausreizen, machen die Lektüre erst zum Genuss.

Screenshot aus der LVZ-SONNTAG-APP: gut lesbare Artikel mit Multimedia angereichert

Beispiele für gute Umsetzungen sind für mich die iPad-App des SPIEGEL, die iPhone-App des SPIEGEL, die iPad-App der WELT und die SONNTAG-APP der Mediengruppe Madsack, die auch als iPad-App LVZ SONNTAG erscheint. Hier macht das Lesen einfach Spaß.

SPIEGEL-Kauf in der iPad-App: teurer, als die Printausgabe

Drittens: Wie für mich das perfekte E-Paper aussieht.

Die perfekte Zeitung ist mit Leidenschaft gemacht. Das gilt sowohl für die technische Umsetzung als auch für die Inhalte. Das gilt bereits für die Printmedien. Ich habe auch nicht das Bedürfnis, in der Onlineausgabe andere oder verkürzte Inhalte zu lesen, als in der Printausgabe. Im Gegenteil, in den Anfangstagen der WELT-App hat es mich gestört, dass es die großen Seiten füllenden Essays dort nicht gab. Nur, weil ich am Bildschirm lese, heißt das nicht, dass ich mich nicht in ein Thema vertiefen will. Wäre das so, wären E-Books erfolglos. Jede Zeitung hat ihr Profil, anhand dessen wähle ich sie aus. Das hat für mich nichts mit online/offline zu tun.

Wohl aber das Nutzererlebnis, welches für mich nach dem Inhalt eine sehr hohe Bedeutung hat. Dazu muss das Format der Artikel unbedingt am Lese-Device ausgerichtet sein. Im Landscape-Modus bedarf es Spalten wie in einer gedruckten Zeitung, wenn anderenfalls die Zeilen zu lang würden. Innerhalb eines Artikels gibt es nur eine Scrollrichtung. Infokästen (Interviews, Erläuterungen), die so gern mitten im Artikel abgedruckt werden, für die man aber den logischen Fluss des Textes unterbrechen würde, und sie deshalb doch erst liest, wenn man mit dem Artikel fertig ist, gehören an das Ende des Artikels. Struktur erhalten die Texte über Fotos und Abbildungen, durch Absätze, Listen und Weißräume. Jedes Foto kann bis auf Bildschirmgröße verlustfrei vergrößert werden, andernfalls ist es ein Ärgernis. Die Schrift ist relativ groß gewählt oder es wird eine Schriftgrößeneinstellung angeboten. Auch auf den Helligkeitsregler gibt es einen Direktzugriff in der App.

Startbildschirm der LVZ SONNTAG-App (iPad)

Bezüglich der Aktualität kann die Zeitung der Zukunft ihren Vorteil ausspielen. Fertig gestellte Artikel werden sofort zur Verfügung gestellt. Entweder gestaltet man das so fluide, dass laufend Artikel in den Äther gehen oder man wählt das Modell mehrerer Redaktionsschlüsse pro Tag, ich kann mir beides gut vorstellen.

Weitere Möglichkeiten zur Aufwertung des Nutzererlebnisses sind die aus Internetseiten und Social Media bekannten Funktionen zum Teilen, Liken und Kommentieren.

Übrigens wünsche ich mir, dass die Artikel werbefrei sind, weil Werbung meine Konzentration stört. Zwischen Artikeln und im Inhaltsverzeichnis lasse ich mir Werbung gefallen.

All diese Ideen sind nicht neu, nach meiner Erfahrung jedoch meist nur teilweise umgesetzt. Die Punkte dieses Absatzes habe ich in einer Mind Map zusammen getragen, unter anderem auch die Don'ts für ein E-Paper:

Mind Map E-Paper: zum Vergrößern Bild anklicken. Hier gibt's die PDF.

Eines noch:

Kopf hoch, Ihr Pressemacher! Der E-Paper-Markt wird wachsen. Qualität hat auch heute noch ihren Preis. Für mich hat der Qualitätsbegriff eine neue Komponente bekommen, die über den Inhalt hinausgeht. Das perfekte E-Paper wird Erfolg haben. Lasst Euch darauf ein!

Nachtrag (27.03.2013):

Lesenswerter Blogpost von Endreas Müller über sein Abenteuer, die Sächsische Zeitung (SZ) online zu lesen.

Dienstag, 23. Oktober 2012

Begegnungen in Hamburg

Darüber, dass Hamburg eine großartige Stadt ist, wurde sicher schon eine Menge geschrieben. Um die Sehenswürdigkeiten soll es in diesem Beitrag daher nicht gehen, sondern um die Menschen, mit denen wir Kontakt hatten. Wir - das sind unsere Nachbarn, meine Frau und ich. Am vergangenen Wochenende (19.10. - 21.10.2012) fuhren wir mit der Bahn von Leipzig nach Hamburg. Wir besuchten das Musical Tarzan, das Dungeons, die Speicherstadt, St. Pauli, den Park Planten un Bloomen. Wir hatten eine große Stadtrundfahrt im roten Doppeldeckerbus, eine große Hafenrundfahrt, eine Führung über Reeperbahn, Herbertstraße, Große Freiheit; und ein Bier im Safari. Unser Hotel war das Mercure. Alles kann ich weiterempfehlen, bis auf das Abendessen im Veermaster, einem Folklorelokal auf der Reeperbahn.

Straßenkünstler

Unsere erste interessante Begegnung hatten wir am Freitag auf dem Hamburger Hauptbahnhof. Nachdem wir am frühen Nachmittag mit dem Zug angekommen waren, hatten wir unser Gepäck in Schließfächer eingeschlossen, um ohne Ballast die Stadt- und die Hafenrundfahrt zu unternehmen. Als wir dieses später wieder abholten, um damit per SB-Bahn zum Hotel zu fahren, sprach uns ein junger Mann an und bot uns eine Gruppenfahrkarte für den Nahverkehr an. Seine Geschäftsidee: er kauft Abreisenden die Nahverkehrsfahrkarten ab, die noch eine nennenswerte Restgültigkeit besitzen, und verkauft sie Anreisenden mit einem Aufschlag weiter. Das funktioniert deshalb, weil in Hamburg die Tickets in der S-Bahn oder U-Bahn nicht entwertet werden. Die Idee ist wirklich klasse, da es dabei drei Gewinner gibt (ich sage nicht, dass es dabei nur Gewinner gibt). Leider waren wir Provinzlinge zu skeptisch und sahen vor unserem geistigen Auge bereits einen Ticketdealer mit unseren Portemonnaies davonlaufen.

Vielleicht waren seine Klamotten zu schmutzig. Möglicherweise war er nicht überzeugend genug oder es drängelte uns einfach die Zeit. Vielleicht wollten wir nicht auf einen vermeintlichen Nepp hereinfallen, der uns bei einer Fahrkartenkontrolle teuer zu stehen gekommen wäre. Wir nahmen sein Angebot nicht an. Stattdessen bot ich ihm zwei Euro als milde Gabe - auch dafür, dass er uns bei der Wahl des richtigen Tickets am Automaten behilflich war. Er nahm sie nicht an: "Das will ich nicht, da fühle ich mich schlecht."

Am Samstagmorgen schlenderten wir durch den Park "Planten un Bloomen", wo uns allein aufgrund unseres Dialekts leicht als Ortsunkundige Erkennbare eine wahre Welle der Hilfsbereitschaft entgegenschlug. Als wir einander fragten, wo der Japanische Garten sei, gab eine Iranerin Auskunft. Investigativ erfragte sie anschließend unsere Herkunft und ordnete diese korrekt als "hinter der Mauer" befindlich ein. Die Methode, sich lauthals in der Gruppe selbst nach dem Weg zu fragen, erwies sich übrigens im selben Park ein weiteres Mal als erfolgreich.

Interessant war auch die Begegnung mit einem Rentner, der mich ansprach, nachdem ich ihn auf dem Weg in die Speicherstadt beim Fotografieren fotografiert hatte. Er gab preis, dass er Teilnehmer eines Foto-Kurses sei. Sein Auftrag lautete, Menschen zu fotografieren, die ihm auf eine Frage mit "Nein" antworten. Leider habe ich die Frage vergessen. Als er mich gefragt hatte, habe ich wahrheitsgemäß mit "Nein" geantwortet und verneinend in sein Objektiv geschaut. Inzwischen wird sich sein Fotoclub wohl köstlich über die Grimassen des Tages amüsiert haben.

Spurensuche für den Foto-Kurs

Auch am Geocache an den Magellan-Terrassen blieben wir nicht unter uns. Gerade, als wir die Dose geborgen hatten, begann ein Cacherpärchen das Fernrohr zu untersuchen, unter dessen Podest sie befestigt war. Wir gaben den beiden das Logbuch in die Hand.

Mit Dir nimmt es ein schlimmes Ende. Dies prophezeite mir ein Betrunkener, an dem wir auf unserem Weg in den Stadtteil St. Pauli vorbeigingen. Überhaupt sahen wir einige Obdachlose, Bettler und Flaschensammler.

Bettlerin?

An der U-Bahn-Station Millerntorplatz auf St. Pauli trafen wir auf den ehemaligen (?) Zuhälter Hans Jürgen Schmitz, der heute im Alter von knapp 70 Jahren für Olivia Jones Touristen über die Reeperbahn führt, weil er vergessen hatte, in die Rentenkasse einzuzahlen, als die Zeiten noch besser waren. Früher war alles anders, Kinder. All seine Bekannten sind tot. Und bald wird die Ritze weggerissen. Leider Gottes.

Er schaffte es, seine Geschichten mit den Originalschauplätzen zu verbinden, die es noch gibt: der Boxring in der Kneipe "Zur Ritze" beispielsweise, die Davidwache und die Herbertstraße, Zutritt nur für Männer. Und er führte uns zu den Originalschauplätzen, die es nicht mehr gibt: das Café Miller ist nur noch eine Hülle (ein Buchstabe leuchtet noch) und irgend eine in den 1960ern angesagte Kiezdisco ist heute ein italienisches Restaurant, dessen Besitzer sich wundert, warum regelmäßig geführte Gruppen davor Station machen, ohne einzutreten.

Der Blonde Hans lässt sich nicht lumpen: Astra an der Esso-Tankstelle auf St. Pauli.

Dank Schmitz und eines Fünfeuroscheins pro Person erhielten wir Eintritt in ein Bordell und die Dienst habende Domina führte uns als Gruppe von zehn Männern mit in ihre Dachkammer. Dort nahm sie Platz auf dem Gestänge an der Kopfseite des Doppelbetts: "Was wollt Ihr wissen?" Da wir nun einmal zum Quatschen hier waren, stellten wir unsere Fragen. Wie alt sie sei (36), ob das Zimmer mit einem Panic-Button ausgestattet sei ("Ja, habe ich aber noch nie benutzt."), seit wann sie das mache (seit zehn Jahren, sie sei Quereinsteigerin mit konventionellem Berufsabschluss und Meisterbrief) und ob sie einen Zuhälter habe (hat sie). Sie habe einen Freund und Spaß an ihrem Job, was man aber nicht mit sexueller Erregung verwechseln solle. Wir verabschiedeten uns artig und beendeten mit Hans die Führung.

Die beiden letzten berichtenswerten Begegnungen ereigneten sich am Sonntag auf dem Hauptbahnhof, kurz vor der Abreise. Wir diskutierten gerade lautstark darüber, zu welchem Preis wir unsere Nahverkehrstickets verticken sollten und wurden nach dem Weg gefragt. Auf englisch. Von einer Deutschen. Diskriminierung vierer Sachsen.

Außerdem hatte ein junger Mann ein Problem mit seinem Handy, so dass er mich fragte, ob er mein iPhone benutzen dürfe. Wieder lief der Film im Kopf ab: ich übergebe das Telefon, Mann rennt damit weg. Sei nicht so provinziell, am Ende fühlt sich wieder einer schlecht. Ich übergebe das iPhone an den Heavy-Metal-Fan (Haare, Wacken-Band). Er ruft jemanden an, erreicht aber niemanden und gibt das Telefon zurück. Kurze Zeit später fragt er mich, ob er iMessage nutzen dürfe und setzt eine Nachricht ab. Natürlich rief der vergeblich Angerufene zurück, als wir im Zug saßen. Drei mal rannte ich, die Verbindung haltend, durch den Zug.

Montag, 10. September 2012

Chapali' chapala' e' arrivato Mustafa

Hier an den Stränden der Costa Rei, wo wir gerade unseren Sardinien-Urlaub verbringen, gibt es auch einige Strandverkäufer. Jeden Tag werden die Männer mit einem Kleinbus an den Strand gebracht. Bepackt mit Kleidern, Spielzeug, Tüchern, Hüten und Sonnenbrillen ziehen sie ihre Bahnen im Sand.

Größtenteils zurückhaltend sprechen sie die Strandbesucher mit "Vuoi comprare?" und "Uno Euro!" an. Dabei stellen sie sich schnell auf die Sprache der Kundschaft ein. Neben italienisch sprechen sie mindestens auch englisch und einige Wörter deutsch.


Im Gespräch mit einem Farbigen, welcher ständig den Vers "Chapali' chapala' e' arrivato Mustafa" vor sich hin singt, fanden wir heraus, dass er aus dem Senegal stammt. Andere Verkäufer muten asiatisch (Indien, Pakistan) an und ein Thailänder bot gestern sogar eine Fußreflexzonenmassage an.


Mittags ruhen die Männer abseits des Strandes im spärlichen Schatten. Nach ihrer Nachmittagsschicht werden sie vom Kleinbus wieder abgeholt. Nach unserer Beobachtung handelt es sich um immer den selben Trupp.


Es wird berichtet, dass mafiöse Strukturen den Strandverkauf organisieren. Es heißt auch, dass Carabineri nicht nur die Strandverkäufer vertreiben, sondern auch Käufer mit Bußgeldern belegten, da es sich bei den Artikeln um Schmuggelware oder Plagiate handeln soll. Wir haben dergleichen nicht erlebt. Eher haben wir den Impuls, den armen Seelen irgendetwas abzukaufen.

Mittwoch, 5. September 2012

Verdammt - Lufthansa streikt!

Chaos auf den Flughäfen – das Flugpersonal der Lufthansa streikt. Ausgerechnet zum Urlaubsbeginn! Da blieb uns nur eines: Umsteigen auf den Billigflieger Easyjet. Die ausländischen Stewardessen kennen kein Streikrecht.

Auf unserem Flug von Berlin Schönefeld nach Cagliari lief nahezu alles perfekt. Einzig der Mobilfunk- und der GPS-Empfang sind verbesserungswürdig. Hier ein paar Eindrücke vom Beginn unseres Sardinienurlaubs. Vielen Dank an Easyjet, dass wir pünktlich auf die Insel kamen!

Überraschung vor dem Start: auch Easyjet hat echte Boeings.

Aufgrund des Lufthansa-Streiks wird derzeit jeder Platz genutzt.

Die Bordtoilette ist komplett ausgestattet.

Landung: bei Easyjet mit den Hinterrädern zuerst.

Im Netz kursiert ein Amateurvideo über Easyjet. Möglicherweise handelt es sich um einen Werbefilm. Beurteilt seine Aussagekraft selbst:

Mittwoch, 29. August 2012

Von den Preppern lernen

Es gibt Menschen, die sich vorbereiten auf das "Ende der Welt, wie wir sie kennen". Damit meine ich nicht diejenigen, die etwas für ihre Rente beiseite legen. Ich meine die Prepper.

Wer einmal danach googelt, findet Internetseiten, Blogs und Videos von Leuten, die Lebensmittel horten, sich bewaffnen und ständig ein Notfall-Pack bei sich führen, um auf Atom-, biologische, chemische, kriegerische, Umwelt- und wirtschaftliche Katastrophen vorbereitet zu sein. Ich habe von Familien gehört, die 10.000 US-Dollar in Lebensmitteln gebunden haben. Einige versuchen, sich autark zu versorgen. Andere bauen sich Bunker. So vielfältig die Community ist, die meisten Prepper haben eines gemeinsam, nämlich ihren Plan B. Worin dieser besteht, bleibt stets geheim. Ich kann nur vermuten, was Prepper tun, wenn im Notfall Plan A nicht funktioniert. Wahrscheinlich gehen sie zu Mutti.

Einen Stromausfall oder eine Epidemie kann ich mir derzeit latent als bedrohliche Szenarien in unseren Breiten vorstellen. Ersteres wäre besonders im Winter lästig. Gut, wenn es im Haus noch eine Feuerstelle gibt, die nicht elektrisch gesteuert wird. Ein paar Kerzen erzeugen Licht. Gegessen wird kalt (oder aus dem Kessel). Bleibt das Wasser weg, wird es schon kritisch, aber nicht bedrohlich. Was wird benötigt? Brennholz, Kerzen und eine Handpumpe für den Brunnen. Will man sich vor einer Epidemie schützen und daheim auf Wochen verschanzen, wird es schon komplizierter: zusätzlich zum Stromausfallprogramm (denn der Kraftwerker verschanzt sich auch) bedarf es noch haltbarer Lebensmittel für einige Zeit. Da fängt die Arbeit an: wer einen solchen Vorrat hält, überwacht ständig das Mindesthaltbarkeitsdatum, verbraucht Altes und füllt Neues auf. Wer will schon Ravioli im Wert von 10.000 Dollar wegwerfen?

Die größte Katastrophe für einen Hardcoreprepper ist - man ahnt es -, dass überhaupt kein Notfall eintritt. So wie in den letzten sechs Jahrzehnten.

Was mich auf jeden Fall beeindruckt hat, ist, wie man im Notfall (Streichhölzer sind in die Toilette gefallen und keiner will sie herausholen) Feuer entfachen kann: standesgemäß mit einem Funkengeneratorstab, einem Firesteel. Jeder echte Prepper hat ihn. Es handelt sich dabei um einen Magnesiumstab, von dem man Funken abschabt. So ein Firesteel kostet nur wenige Euro. Ich habe mir einen bestellt und ausprobiert.


Firesteel mit Schaber


Es ist mir gelungen, damit Küchenrollenpapier und Wattepads zu entzünden. Das geht problemlos. Aber das ist nicht das Material, welches mir bei der Durchführung meines Plans B zur Verfügung stehen wird. Daher habe ich versucht, Holzspäne zu entzünden. Auch das ist mir einmal gelungen, nur habe ich darüber nahezu das komplette Magnesium verbraucht. Den Videobeweis will ich nicht schuldig bleiben:

Sonntag, 26. August 2012

Wie an der Küste

Bei einem Spaziergang in der Kahnsdorfer Lagune und auf der Nordseite des Hainer Sees kommt Urlaubsstimmung auf. Die Häuser in der Lagune sind inzwischen zum Teil bewohnt, Vorgärten wurden gestaltet und Jachten liegen an den Stegen. Windsurfer und Kite Surfer drehen ihre Runden. Es entsteht ein Hotel am Wasser. Und in der 500-Seelen-Gemeinde Kahnsdorf gibt es drei Cafés.

Man glaubt, man sei am Meer. Einzig das ehemalige Kraftwerk Thierbach zeugt am Horizont davon, dass wir uns in der ehemaligen Kraterlandschaft des Leipziger Braunkohlenreviers befinden. Hier kann "Blühende Landschaften" wachsen sehen.

Da wir heute ausgesprochenes Fotowetter hatten, blieb das Handy nicht in der Tasche. Einige Impressionen vom Hainer See im August 2012:
 
  
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Samstag, 11. August 2012

Dorfleben vs. Internetzugang

Seit 17 Jahren nutze ich das Internet mit einem eigenen Anschluss. Ein Modem mit 33,6 kbit/s war der Anfang, später hatten meine Rechner ein 56-kbit/s-Modem. Damals reichte das aus, viele Internetseiten waren vorbildlich darauf programmiert, wenig Datendurchsatz zu verursachen.

Mit megabytegroßen Windows-Updates, mit MP3, Video und Wolke musste eine höhere Geschwindigkeit her. In unserem Dorf Frankenhain ist die DSL-Verfügbarkeit ziemlich durchwachsen. Von null bis 2.000 kbit/s ist alles dabei. An unserem Grundstück liegen 700 kibt/s an. Für mich war das nach jahrelangem Modembetrieb eine ordentliche Steigerung.

Doch die Begeisterung verflog alsbald. Immer neue internetbasierte Anwendungen fraßen die Zeitersparnis schnell wieder auf. Über Tricks und Kniffe schafften wir es, uns 2.000 kbit/s zuschalten zu lassen. Das ist besser als 700 kbit/s, aber bereits der Versuch, ein HD-Video mit dieser Geschwindigkeit zu streamen, beschert viele Ladepausen.

Nach einem Blitzeinschlag in diesem Jahr fiel unser Anschluss wieder auf 700 kbit/s zurück. Willkommen in der Steinzeit. Da Mobilfunk hier nur mit der Edge-Geschwindigkeit anliegt, musste eine Alternative her.

Richtfunkantenne auf dem Dach

Von der Drahtlos DSL GmbH aus Leisnig habe ich mir eine kleine Richtfunkantenne auf das Wohnhausdach setzen lassen. Über ein Netzwerkkabel werden die Signale auf den Dachboden übertragen und dort in das 220-V-Stromnetz eingespeist. An jeder Steckdose im Haus kann nun mit einem DLAN-Adapter das Signal empfangen werden. Wird, wie bei uns, ein WLAN-Router daran angeschlossen, hat man wie gewohnt einen kabellosen Internetzugang. Für die Befestigung und Verlegung waren weder Bohrmaschine noch Schrauben nötig.

Freie Sicht zum Verteiler (über dem Parabolspiegel)

Auf die Deutsche Telekom verzichten wir inzwischen komplett. Jeder von uns hat sein Handy und für die Internetübertragung wird eine Telefonleitung nicht mehr benötigt.

Immerhin (Computer Bild)


Die Geschwindigkeit beträgt derzeit 4.000 kbit/s. Dafür zahle ich 35,00 Euro im Monat. Natürlich kann das auch nur eine Übergangslösung sein.

Mittwoch, 11. April 2012

Chinesentempel im Leipziger Land

Als Anfang des letzten Jahrhunderts die Dörfer elektrifiziert wurden, entstanden ausgerechnet in unserer Gegend ausgesprochen schöne Trafohäuser, die in ihrer Architektur an fernöstliche Pagoden erinnern. Im Volksmund tragen sie daher den Beinamen "Chinesentempel". 
 
Frankenhain
Vor unserem Gartentor kann man das Frankenhainer Trafohäuschen bewundern. Den Transformator im Innern gibt es nicht mehr. Stattdessen wohnen nun unter der Obhut des Naturschutzbundes (NABU) Vögel und Fledermäuse darin. Eine Zeit lang glaubte ich, es handele sich bei dem ungewöhnlichen Bauwerk um ein Unikat.

Zedtlitz
Eines Tages entdeckte ich auf dem Nachhauseweg von der Arbeit das Zedtlitzer Trafohäuschen. Klar, dachte ich, einen Bauplan kann man auch zweimal benutzen. Das Trafohaus in Zedtlitz steht derzeit leer. Sicherlich würde der NABU auch dieses Haus vogelgerecht umbauen, wenn er finanzielle Unterstützung findet.

Breitenborn
Doch später traf ich auch in Breitenborn auf einen Chinesentempel. Hier dient das Erdgeschoss als Bushaltestelle der Dorfschule. Oben gurren die Tauben. Damit war klar: es gibt viele dieser Trafohäuser.

Regis-Breitingen
Silvester 2011 stießen wir bei einer Geocaching-Tour auf das Regis-Breitinger Exemplar. Es hat sogar ein Storchennest auf dem Dach.

Großpriesligk
Nun wollte ich es wissen. Eine Internetrecherche förderte weitere Trafohäuser zutage, darunter eines in Großpriesligk. Auch dieses wird vom NABU betreut.

Gatzen
Wenige Kilometer entfernt befinden sich die Trafohäuschen von Gatzen und Saasdorf. Beide sind saniert und dienen dem Naturschutz.

Saasdorf
Ein Gespräch mit Freunden förderte noch das Röthaer Trafohaus zutage.

Rötha

Nun würde ich gern die Standorte aller noch erhaltenen Chinesentempel kennen. Aus diesem Grund habe ich eine Serie von Geocaches angelegt, die "Chinesentempel" heißt. Die Serie besteht derzeit aus sieben Geocaches (je ein Tradi an den hier genannten Trafos außer in Regis-Breitingen, denn dort existiert in unmittelbarer Nähe bereits ein Cache). Ich erhoffe mir von der Geocachergemeinde, dass weitere Trafohäuschen verortet werden können. Schauen wir einmal, wieviele Chinesentempel es in unserer Region noch gibt...

Zu den Geochaches: 

Nachtrag:  Folgende Chinesentempel hat die Cachergemeinde inzwischen noch ausfindig gemacht:

Groitzsch

Elstertrebnitz

Großbardau

Stöbnig

Lastau

Großbuch 2012

Großbuch 2013

Eschefeld

Otterwisch